Orgeltechnik

Ein wenig Orgeltechnik

Register, Manuale, Pedale und Pfeifen

Charakteristische Merkmale einer Orgel sind ihre Register und deren Verteilung auf die Manuale (Handklaviaturen) und das Pedal (Fußklaviatur). Ein Register entspricht einer Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe (zum Beispiel Flöte oder Posaune) über den gesamten Tonumfang eines Manuals oder Pedals. Im Allgemeinen erklingt pro Taste und pro Register jeweils eine spezielle Pfeife. Wenn man bei einem Manual von einem Tonumfang von beispielsweise fünf Oktaven mit je zwölf Tasten ausgeht, so sind für ein einzelnes Manual-Register bereits 60 Pfeifen erforderlich. Da das Pedal dagegen über einen Umfang von 2½ Okatven verfügt, ergeben sich für ein Pedal-Register nur 30 Pfeifen. Im Gegensatz zur Tastatur des Klaviers ist die Anzahl der Tasten bei den Orgel-Manualen und -Pedalen nicht normiert.

Einen Sonderfall in der Zählweise der Orgelpfeifen stellen die mehrstimmigen Register dar, zum Beispiel die Mixtur-Register. Bei ihnen ertönen bei jedem Tastendruck nicht nur 1 Pfeife, sondern je nach Bauart 2 bis 6 Pfeifen gleichzeitig (beispielsweise der Grundton, und die dazugehörigen Terzen, Quinten und Oktaven). Für ein Mixtur-Register können somit 120 bis maximal 360 Pfeifen erforderlich sein, an Stelle von 60 Pfeifen für ein normales Register. Wie viele Pfeifenreihen sich hinter einem gemischten Register verbergen, wird auf dem Registerzug am Spieltisch vermerkt, zum Beispiel: Mixtur 3fach. Angaben, wie Mixtur 3-4fach bedeuten, dass abhängig von der Höhe des gespielten Tons entweder 3 oder 4 Pfeifen gleichzeitig angeblasen werden.

Spieltisch

Der Spieltisch ist der Teil der Orgel, von dem aus das Instrument gesteuert und gespielt wird. Zu ihm gehören insbesondere die Manuale und das Pedal  sowie die Registerzüge (Ziehknöpfe oder Wippschalter) und ein Notenpult.

Jedes Register ist in der Regel einem Manual bzw. dem Pedal fest zugeordnet. Im Prinzip kann man jedes Register einzeln an- oder abschalten. Normalerweise wählt der Organist je nach Art des Orgelstücks eine Mischung aus mehreren Registern.

Tremulant, Zimbelstern, Koppeln und Fußtonzahl

Darüber hinaus gibt es Sonderregister, die keiner speziellen Klangfarbe zugeordnet sind. Dazu gehören unter anderem die Register für bestimmte Toneffekte, beispielsweise Tremulant (ähnlich wie Vibrato) oder Zimbelstern (rotierender Stern mit mehreren Glöckchen) und die so genannten Spielhilfen, wie zum Beispiel die Koppeln (Kombination der eingestellten Klangfarben mehrerer Manuale oder des Pedals) und die freien Kombinationen.

Wenn man die Anzahl der Register einer Orgel durchzählen will, kann man durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, je nachdem, ob nur die reinen klingenden Register (Posaune, Flöte, Oboe etc.) gezählt werden oder auch die Spezialregister wie zum Beispiel Tremulant, Zimbelstern, Koppel-Register oder Kalkantenruf. Die zu einem Register gehörenden Pfeifen sind in der Regel hintereinander angeordnet.

Die Register können unterschiedliche Tonlagen haben, zum Beispiel höher oder tiefer klingende Flöten. Die Tonlage wird mit der so genannten Fußtonzahl bezeichnet. Diese Zahl gibt Aufschluss über die Länge des tiefsten Tons eines Registers, wobei 1 Fuß ungefähr 32 cm entspricht. Die normale Tonlage hat eine Pfeifenlänge von acht Fuß (Schreibweise: 8'), also etwas mehr als 250 Zentimeter. Dieselbe Tonlage eine Oktav tiefer wird mit 16' (also bereits über 5 Meter) und eine Oktav höher mit 4' notiert.

Anzahl der Manuale und Pfeifen und Disposition

Ganz kleine Orgeln verfügen nur über ein Manual und einige wenige Register, besonders große besitzen fünf Manuale und ein Pedal. Technisch sind auch Orgeln mit mehr als fünf Manualen denkbar. Da aber die Manuale jeweils übereinander und nach hinten versetzt angeordnet sind, ist ein Instrument mit mehr als fünf Manualen in der Praxis schon allein aus anatomischen Gründen schwierig zu spielen. Als Beispiel sei die Orgel des Mainzer Doms mit ihren sechs Manualen erwähnt. Die Orgel der St. Rochus-Kirche verfügt über drei Manuale und Pedal, 45 Register und etwa 2.800 Pfeifen. Zum Vergleich: die größte Kirchenorgel der Welt befindet sich im Passauer Dom; sie besitzt über 233 Register, fünf Manuale und Pedal und fast 18.000 Pfeifen.

Die Gesamtanlage einer Orgel bezeichnet man auch als Disposition. Sie wird vom Orgelbauer und seinem Auftraggeber in Abhängigkeit der Akustik der Kirche oder des Konzertsaals festgelegt. Zur Disposition gehören unter anderem die charakteristischen Klangfarben der Register und ihre Verteilung auf Manuale und Pedal.

Gebläse und Kalkanten

Zum Anblasen der Orgelpfeifen wird natürlich Wind benötigt. In alten Orgeln wurde der Windstrom durch große Blasebälge erzeugt, die mit den Füßen getreten wurden, zuweilen auch mit Hilfe von Hebeln und Armkraft (siehe Abbildung). Bei großen Orgeln waren dafür - je nach den vom Organisten eingestellten Registern - zehn oder mehr Balgtreter erforderlich.

Diese Helfer, die man auch als Kalkanten (vom Lateinischen calcare = treten) bezeichnete, hatten ihren Arbeitsplatz meistens hinter oder neben der Orgel. Mit Hilfe eines speziellen Registerzuges, dem Kalkantenruf (eine kleines Glöckchen in der Nähe des Tretbalgs), konnte der Orgelspieler die Kalkanten auffordern, mit ihrer Arbeit zu beginnen. Häufig waren es Schuljungen, Konfirmanden, Handwerks- und Bauernburschen, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernahmen oder auch dafür bezahlt wurden. Der Organist war also ganz von deren Zuverlässigkeit und Geschick abhängig. Man stößt zuweilen aber auch auf Schilderungen, in denen die Kalkanten aus Nachlässigkeit oder auch durch böse Absicht ihrer Aufgabe nicht nachkamen und dadurch Situationen provozierten, die für den Orgelspieler wenig erbaulich gewesen sein dürften. Andererseits konnte sich der Organist aber auch revanchieren und die Kalkanten ins Schwitzen bringen, wenn er - besonders an einem größeren Instrument - das volle Werk (Plenum) registrierte und damit ein umfängliches Stück zum Besten gab.  Heute wird der Windstrom ohne Kalkanten mit Hilfe von elektrischen Gebläsen erzeugt.

Windladen und Schleifladen

Ein ganz wesentlicher Bestandteil jeder Orgel ist die Windlade. Es handelt sich dabei um einen rechteckigen Kasten, auf den alle Pfeifen montiert sind. Der Windstrom der Gebläse wird in diesen Kasten geleitet und bringt so die Pfeifen zum Erklingen. Die Schleiflade (oder auch Schleife) bewirkt, dass nur die Pfeifen angeblasen werden können, deren Register der Organist betätigt hat. Sie besteht aus drei Leisten, die jeweils genau so viele Löcher haben, wie das zugeordnete Register Orgelpfeifen hat.

Wenn das Register gezogen ist, stehen die Öffnungen der drei Leisten exakt übereinander, so dass die Luft in die Pfeifen strömen kann. Durch Abschalten des Registers wird die mittlere Leiste so weit verschoben, dass die Öffnungen nicht mehr übereinander liegen und somit der Lufzug zu den Pfeifen unterbrochen ist. Damit nun nicht alle Pfeifen eines gezogenen Registers gleichzeitig ertönen, verfügt die Windlade über einen zusätzlichen Ventil-Mechanismus, der dafür sorgt, dass nur die Ventile der Pfeifen geöffnet sind, deren zugeordnete Tasten der Organist gerade auf einem Manual oder Pedal betätigt. Die Windlade stellt also die Verbindung dar zwischen den Pfeifen, der Tastatur der Manuale und den eingestellten Registern. Die Verbindung zwischen Tastatur und Ventil wird auch als Spieltraktur bezeichnet, der Mechanismus zum Ein- und Ausschalten der Register dagegen Registertraktur.

Text: Klaus Klingen